Was für ein Jahr liegt vor uns! Wir werden das Virus in die Schranken weisen, wir werden wieder tanzen und uns betrunken in den Armen liegen. Kommt mir nicht mit «Luxusproblem», denn ja genau, das habe ich vermisst. Ich freue mich: 2021 wird richtig gut!
Ich bin ganz kribbelig. Ab Februar darf ich im Parlament von Basel-Stadt mitwirken. Das ist ein grosses Privileg. Und ich muss zugeben, dass auch wenn mich die Wahl sehr gefreut hat, ich denndoch von einem Schimmer jenes Gefühls begleitet war und bin, das ich aus den frühen Nullerjahren kenne:
Damals durfte ich meinen guten Freund Marc Krebs, der damals noch als Journalist für das DU schrieb, nach London begleiten, um am exklusiven Release-Konzert von David Bowies «A Reality Tour» in den Hammersmith Riverside Studios dabei zu sein.
Zu Bowie, der mir bis dahin eher aufgrund seiner wandelbaren Erscheinung aufgefallen war, hatte ich damals musikalisch noch kaum Zugang. Er war mir zu anspruchsvoll. Dass wir auf dem Ausflug die eine oder andere Schwulenbar besuchen wollten, fand ich aufregender. Aber das ist eine andere Geschichte. Gell, Marc.
Jedenfalls fand ich mich nach durchgezechter Nacht im Soho in eben diesen Riverside Studios wieder, zu welchen gerade mal 200 Personen Zutritt hatten. Und mir wurde plötzlich klar, dass das mehr als einfach ein Konzert werden würde. Hier war der auserwählte Innercircle von Bowies unzähligen Fanclubs anwesend. Das war nicht einfach ein Konzert. Hier wurde der 200 Mal teils jahrzehntelang geträumte Traum war: Einmal im Leben David Bowie zum Greifen nah zu sein.
Und ich? Noch verkatert von letzter Nacht, noch nach dem Parfum von Cameron Moir aus der einen Bar riechend, kein einziges Lied von Bowie kennenend stand ich da, wie ein Ungläubiger in einem Gottesdienst, und fragte mich: Wie habe ich das verdient?
Nun, ein Gottesdienst wird das nicht werden im Basler Parlament und leider auch kein Album Release Konzert von David Bowie (†). Dennoch ist mir wohl bewusst, dass einige Baslerinnen und Basler seit Jahren parteipolitisch für unsere Stadt engagiert sind und meinen Sitz viel eher verdient hätten.
Ich werde versuchen, mir dieses Gefühl zu bewahren, und mein Tun an einer intelligenten Politik ausrichten. Einer Politik, die dem schmalen Grat zwischen den zwei Abgründen entlang führt: einerseits, von allen geliebt zu werden und darum nichts zu bewegen, und andererseits, von allen gehasst zu werden und darum nichts zu bewegen.
In diesem Sinne mögen mir die wenigen, die mich in den nächsten vier Jahren hassen werden verzeihen, dass ich etwas bewegen will, aber vor allem mögen mir meine Freund_innen sagen, wenn sie das Gefühl beschleicht, ich wolle zu vielen gefallen!
Gute Festtage,
einen guten Rutsch,
und alles Gute im 2021!
Johannes
Online: Youtube, 100 Percent Bowie
David Bowie – Hammersmith, 2nd October 2002
Youtube
Online: Du, Nr. 741, November 2003
David Bowie. Beruf: Popstar.
www.du-magazin.com
Website
Cameron Moir
www.cameronmoir.com
Foto zur Notiz: Nico, Johannes, Benjamin in den Nullerjahren. Fotografin Maja oder Bim, wir wissen es nicht mehr.