Regenbogenfamilie

Ehe für alle, die wollen

Am 26. September stimmen wir darüber ab, ob wir in einem säkularen Staat leben – oder nur so tun als ob. Die zivile Ehe soll für alle Paare geöffnet werden, unabhängig vom Geschlechtseintrag in den amtlichen Dokumenten. Die Diskussion darüber ist derart ermüdend, ich könnte bereits nach diesem ersten Satz sitzend einschlafen.

Nachdem der Bundesrat und das Parlament nach geschlagenen sieben Jahren endlich zur Vernuft gekommen sind und die Vorlage verabschiedeten, ergriff ein Komitee aus Vertreter:innen der konservativen Parteien SVP, EDU und EVP zusammen mit vereinzelten Irrlichtern der Mitte das Referendum. Die Vorlage kommt vors Volk.

Das Komitee gegen die «Ehe für alle» meint, der Staat solle die Lebensentwürfe seiner Bürger:innen regeln – und zwar bis weit in deren Persönlichkeit und in die Familie hinein. Wer nicht willig ist, soll mit Sanktionen auf den Pfad der Tugend gebracht werden: Weniger Rechte auf Anerkennung, weniger rechliche Absicherung, weniger Möglichkeiten zur Entfaltung und selbstverständlich Verbote, beispielsweise bezüglich der Fortpflanzung. Nicht dass sich das ganze Übel noch vermehrt?

Dem verwirrten Verständnis dieser Fundis nach, gibt es in der Schweiz ein «korrektes Leben», das nicht nur sie selbst, sondern auch alle andern zu leben haben. Besonders gruselig wird es, wenn sie ihren Anspruch an die Gesetzgebung unseres Landes mit Zitaten aus ihren heiligen Schriften begründen – ein trauriges Missverständnis der Religionsfreiheit. Diese nämlich soll ermöglichen, dass je nach persönlichem Gefallen zu Kreuze gekrochen oder Teppiche nach Mekka ausgerollt werden dürfen. Wie andere ihr Leben zu gestalten haben, darüber ermöglicht die Religionsfreiheit keine Deutungshoheit. Und das ist gut so.

Dass ihr Anspruch totalitär ist und die Argumentation sie gefährlich nahe an das Weltbild des Islamischen Staats (IS) rückt, haben die Fundis zwischenzeitlich selber herausgefunden. Glücklicherweise sind nur noch vereinzelt Bibelzitate oder Morddrohungen zu lesen. Dennoch haben offenbar nicht alle kapiert, dass wir in einem säkularen Staat leben. Und was das bedeutet, nämlich, dass wir diesen von religiösen Institutionen trennen. Auch das ist gut so.

Leider war der nächste Kurzschluss nicht weit: Die Schweizer Gotteskrieger imaginieren nun ein gefährdetes Wohl des Kindes, wenn dieses statt von zwei Personen mit unterschiedlichen Geschlechtseinträgen in amtlichen Dokumenten, von zwei Personen mit demselben Geschlechtseintrag grossgezogen würde.

Die «Ehe für alle» sei also abzulehnen, weil sie nicht nur das Ehe-Bündnis, sondern auch die Fortpflanzungsmedizin allen Menschen gleichermassen zugänglich macht. Das Zeugen von Kindern setze nunmal beide Geschlechter voraus, so die Argumentation. Vergessen ging hier, dass wir so gesehen die Fortpflanzungsmedizin auch für Heterosexuelle verbieten müssten. Denn Zeugungsfähigkeit setzt eben Zeugungsfähigkeit voraus und nicht bloß beide Geschlechter.

Genau weil wir die Zeugungsfähigkeit nicht als Voraussetzung für das Recht auf Fortpflanzung akzeptieren, haben wir die Fortpflanzungsmedizin eingführt. Das war 2001, vor 20 Jahren.

Zudem: Es gibt keine Evidenz dafür, dass das Wohl von Kindern vom Geschlechtseintrag in amtlichen Dokumenten ihrer Bezugspersonen abhängig wäre. Wichtig ist einzig, dass verlässliche Bezugspersonen für die Kinder da sind. Von Vorteil mehrere, die ihre Kinder unterstützen und nicht schlagen. Auch das ist nicht abhängig vom Geschlechtseintrag.

Begriffen hat das glücklicherweise auch eine Mehrheit der Christen. Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) und der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) haben die Ja-Parole zur «Ehe für alle» beschlossen. Die Basler Elisabethenkirche mit Leiter Frank Lorenz unterstützt die «Ehe für alle» aktiv. Danke!

Zeitung: Kleinbasler Zeitung, Werner Blatter, 26.07.21
«Recht von Geschlecht abhängig machen, ist immer Diskriminierung.»
Kleinbasler Zeiztung (Pdf)

Zeitung: NZZ, Alain Griffel, 26.07.21
Die Ehe für alle ist verfassungskonform
Neue Zürcher Zeitung

Zeitung: NZZ, Angelika Hardegger, 28.07.21
Die Ehe für alle auf einen Blick
Neue Zürcher Zeitung

Zeitung: Tagblatt, Christoph Bernet, 26.07.21
«Ehe für alle» – worum es geht, wie argumentiert wird und was sich ändern würde
Tagblatt

Zeitung: bz – Zeitung für die Region Basel, Kari Kälin, 15.07.21
Zwist in der Kirche: Die katholischen Frauen widersprechen den Bischöfen und befürworten die «Ehe für alle»
bz – Zeitung für die Region Basel

Zeitung: Primenews, Oliver Sterchi und Anja Sciarra, 23.07.21
Frank Lorenz: «Die gleich­geschlechtliche Liebe ist von Gott gewollt»
Primenews

Website: Komitee «Ja, ich will!»
Die Argumente für die «Ehe für alle»
www.ehefueralle.ch

Foto zur Notiz: www.maenner.media