Gleichstellung Basel-Stadt

Grundlage für Gleichstellung queerer Menschen geschaffen

Am 10. Januar 2024 hat der Grosse Rat die Revision des kantonalen Gleichstellungsgesetzes mit 69 Ja zu 15 Nein bei 2 Enthaltungen angenommen. Der Kanton Basel-Stadt hat damit eine gesetzliche Grundlage geschaffen, um Gleichstellungsarbeit für queere Menschen zu leisten. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Debatte im Grossen Rat dauerte Stunden. Und sie wäre wohl nicht am selben Tag zu einem Ende gekommen, hätten wir diesen nicht via Ordnungsantrag verlängert. Die Meinungen waren schon vor der Debatte gemacht. Bereits die Voten zum Eintreten machten deutlich: Zwischen den Positionen liegen Welten, die sich nicht finden werden.

So gab die Debatte an diesem Mittwoch in komprimierter Form wieder, worüber in den letzten Wochen und Monaten von Journalist:innen auf Basels Bajour bis in Alice Schwarzers Emma teils genüsslich, teils verwundert, teils angewidert berichtet wurde. Es wurde gestritten, als bliebe kein Stein auf dem andern. Identitätspolitik par excellence.

Interessanterweise stand die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung gar nicht mehr zur Diskussion. Sie ist unbestritten. Es war die Entgrenzung des Begriffs «Geschlecht». Hier treffen Welten aufeinander. Da sind die Genderwissenschaften, die sich mit «Geschlecht» auf einem Niveau befassen, das vielen – sorry for saying – schlichtweg zu abgehoben ist. Dann entlädt sich ganz offensichtlich ein Streit der Wissenschaft der Biologie in der Debatte über die Frage, wie viele Geschlechter es gibt. Als ob unsere Verfassung oder die bisherige Gesetzgebung jemals die Biologie als einzige Dimension von «Geschlecht» definiert hätte. Und dann ja, die Politik: Je nach Weltbild wird befürchtet, etwas zu verlieren. Obwohl es definitiv nur zu gewinnen gibt.

Leider entbrannte durch die Berücksichtigung identitätspolitischer Begriffe im Gesetzestext die Diskussion darüber, wer denn nun wie benachteiligt und gegenüber wem gleichgestellt werden soll. Diese Diskussion halte ich nicht für produktiv. Die Frage ist nicht, wie viele Geschlechter oder Identitäten es gibt. Die Frage ist, wie Geschlecht auch noch betrachtet werden kann. Darin schlummert enormes Potenzial.

Wenn mein Mannsein nicht mehr zwingend bedeutet, dass ich den gesellschaftlichen Erwartungen an das Mannsein gerecht werden muss, dann hilft mir das, meinen Lebensentwurf so zu gestalten, dass mir mein Leben eher entspricht. Dasselbe gilt für Frauen, non-binäre Menschen und alle andern auch. Es spielt dabei keine Rolle, wie ich mich identifiziere und ob es dafür eine identitätspolitische Schublade gibt. Die eigenen und die gesellschaftlichen Erwartungen an «Geschlecht» zu reflektieren, hilft uns allen. Frauen gewinnen damit unter Umständen eine bessere gesellschaftliche Stellung, beispielsweise im Beruf, und Männer mehr Freiheit, weniger Herzinfarkte und im Idealfall ein längeres Leben.

In diesem Sinne: Etwas mehr non-binäres Selbstverständnis würde uns allen gut tun. Denken Sie doch mal darüber nach. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Gleichstellung.

Diese Gesetzesrevision ist – wenn auch in den Details durchaus noch diskutabel – ein Meilenstein für die Gleichstellung.

Zeitung: WOZ – Die Wochenzeitung, Renato Beck, 18.01.24
Basel rückt ein Feld vor
WOZ – Die Wochenzeitung

Zeitung: Basler Zeitung, Oliver Sterchi, Katrin Hauser, Lucia Hunziker, 11.01.24
Neues Basler Gleichstellungsgesetz: «Die Symbolwirkung ist gross»
Basler Zeitung

Online: Bajour, Valerie Zaslawski, 08.01.24
Johannes Sieber: «Etwas mehr nonbinäres Selbstverständnis würde uns allen gut tun»
Bajour

Johannes Sieber, Notizen, 13.03.23
Basel schafft die Frauen ab? Blödsinn!
Johannes Sieber, Notizen

Johannes Sieber, Notizen, 19.04.23
Zusätzliche Perspektiven machen Gleichstellungsarbeit besser
Johannes Sieber, Notizen

Johannes Sieber, Notizen, 08.03.23
Gleichstellung – zehn Fragen zu Geschlecht & Gesetz
Johannes Sieber, Notizen

Foto zur Notiz: Johannes Sieber