Die Gesamterneuerungswahlen in Basel von Ende Oktober versprechen eine jüngere und weiblichere Legislatur. Zumindest was den Grossen Rat betrifft: Mit 42 Politikerinnen auf die 100 Sitze hat das Basler Parlament den schweizweit höchsten Frauenanteil.
Das war das erklärte Ziel der parteiübergreifenden Kampagne «Helvetia ruft!». Sie tingelt seit 2019 durch Kantone und Städte – mit dem Ziel, dass Frauen und Männer in den kantonalen und städtischen Parlamenten zu gleichen Teilen Gesetze schreiben. Denn das wäre gut so.
Doch wie wirkt sich Helvetia auf die Regierung aus? Nur eine von fünf Kandidatinnen wurde im ersten Wahlgang gewählt: die bisherige Finanzdirektorin Tanja Soland (SP). Gewählt wurden nebst ihr drei Männer: die bisherigen Lukas Engelberger (Gesundheit, CVP) und Conradin Cramer (Bildung, LDP) sowie Nationalrat Beat Jans.
Stephanie Eymann (LDP), Esther Keller (glp), Elisabeth Ackermann (Grüne) und Christine Kaufmann (EVP) verpassten das absolute Mehr. Und für die Vollständigkeit: auch die zwei männlichen Kandidaten: Baschi Dürr (Polizei, FDP) und Stefan Suter, der mit der SVP kandidierte.
Auf deren Unterstützung kann der bürgerliche Block (LDP, FDP, CVP) für sein unverändertes Ticket im 2. Wahlgang hoffen. Sie alle wollen Stephanie Eymann ins Präsidium hieven und Baschi Dürr im Regierungsrat bestätigen.
Derweil fällt TeamRotGrün aus dem Konzept: Mit Ackermanns schlechtem Resultat im ersten Wahlgang und ihrem daraus folgenden Rückzug hat offenbar niemand gerechnet. Niemand? Die BastA wohl schon. Nicht nur hat die erst jetzt offiziell lancierte Heidi Mück (BastA) bereits beim ersten Wahlgang verdächtige 111 Stimmen geholt, sie hat auch vor Ackermanns Rückzug bereits ihre Bereitschaft zur Kandidatur erklärt.
Das dürfte bei der SP wenig Gefallen gefunden haben. Zwar sah man sich gezwungen, die Kröte zu schlucken, eine Kandidatur Mücks für’s Präsidium hingegen kam offenbar nicht in Frage. Anders lässt es sich kaum erklären, warum sich der im 1. Wahlgang bereits gewählte Beat Jans nun plötzlich für das Präsidium empfiehlt. Vielleicht noch so: Jans wollte die amtierende Ackermann nicht angreifen. Das wäre dann Gentleman-like, beantwortet aber nicht die Gretchenfrage:
Nun sag, TeamLinksGrün, wie hast du’s mit der Frauenwahl?
Für die Antwort lohnt sich ein Blick zurück in den April: Bei der Nomination der Kandidierenden für den Regierungsrat warfen Beat Jans und Kaspar Sutter ihre lang gediente Parteikollegin Kerstin Wenk aus dem Rennen. Angeblich sah man die Geschlechterquote mit Tanja Soland und Bündnispartner-Kandidatin Ackermann erfüllt. Das rächt sich jetzt. Wenk wäre nicht nur aufgrund ihres politischen Rucksacks eine glaubwürdige Kandidatin für’s Präsidium gewesen, auch Helvetia hätte das begrüsst.
Dass TeamLinksGrün Heidi Mück nicht für’s Präsidium lanciert, ist hinsichtlich der Frauenfrage inkonsequent – und Ausdruck der Hackordnung im zu grossen Team. Jans hat sich durchgesetzt. Dafür gibt es verschiedene Erklärungsversuche. Die sexistischen: Er sieht gut aus und hat ein nettes Lächeln. Um seine Leistungsbilanz als Natioinalrat näher zu betrachten, fehlt hier der Platz. Dass Jans ein valabler Kandidat ist, wird abgesehen von seiner politischen Linie kaum jemand bestreiten, vor allem aber bestätigt er meinen Verdacht: Wenn es um die Wurst geht, werden auch bei der SP die weissen hetero Männer an den Start geschickt.
Was rät uns Helvetia?
Was also tun, um dem Ruf der Helvetia im zweiten Wahlgang für die Basler Regierung Folge zu leisten? Dazu gibts aus drei Perspektiven nur eine Lösung:
Bürgerlicher Block: Stefanie Eymann ist als Kandidatin fürs Präsidium gesetzt. Heidi Mück, zwar Frau, ist für Bürgerliche inhaltlich nicht wählbar. Um sie zu verhindern, wählen sie neben Dürr und Eymann die Kandidatin Esther Keller. Zwar nicht ins Präsidium, wohl aber in den Regierungsrat.
TeamRotGrün: Abgesehen vom Setzen des Facebookrahmens Sutter/Mück/Jans ist die Spanne von linksextrem (Heidi Mück) bis links-liberal (Kaspar Suter) definitiv zur Zerreisprobe geworden. Ob das klappt ist fraglich. Wache Bündnispartnerinnen aber verstehen, dass sie mit einem Kreuz für Esther Keller den ihnen unbeliebten Baschi Dürr aus dem JSD spicken können.
Mitte: Nachdem Christine Kaufmann (EVP) im zweiten Wahlgang nicht mehr antritt, dürfte die Wahl der Mitte geregelt sein: Esther Keller in die Regierung und für’s Präsidium. Um ihre Chance zu erhöhen, wählt die Mitte ausschliesslich sie.
Nachrückende nach Geschlecht
Doch mehr noch weiss Helvetia: Alle Kandidierenden im zweiten Wahlgang für den Regierungsrat wurden Ende Oktober ins Basler Parlament gewählt. Also lohnt sich ein Blick auf die Kandidierenden, die bei entsprechendem Ruf in die Exekutive auf die freiwerdenden Grossrats-Sitze nachrücken würden.
Das geht wie folgt: Auf Stefanie Eymann folgt ein Mann, auf Kaspar Sutter folgt ein Mann, auf Heidi Mück folgt ein Mann. Nur auf Esther Keller folgt eine Frau, nämlich Claudia Baumgartner vom Tierpark Lange-Erlen. Was wohl Helvetia dazu sagen würde?
In diesem Sinne und mit den Worten von Kamala Harris, der ersten Vice-Präsidentin elect der Vereinigten Staaten von Amerika: «We the people have the power to build a better future.»
Do it, now! Hol dir Helvetia!
Online: ABC News
Vice President-elect Kamala Harris delivers speech ahead of Joe Biden
Youtube
Online: Website
Esther Keller
www.esther-keller.ch
Zeitung: bzBasel, 26.10.2020
Neues Basler Parlament präsentiert sich weiblicher, jünger und diverser
bz – Zeitung für die Region Basel
Online: Website
Helvetia ruft
Alliance-F
Foto zur Notiz: Juri Weiss, frauenrechtebeiderbasel.ch