Seggiani-Zürcher

Reden ist Silber

Messungen von Grossrätinnen haben ergeben, dass Männer im Grossen Rat nicht nur besser vertreten sind (67%), sie reden auch häufiger (Wortmeldungen 70%) und vor allem länger (Redezeit 80%).

In einem Anzug an das Ratsbüro verlangen Michela Seggiani und Tonja Zürcher eine Transparenz über das Verhältnis von Wortmeldungen und Redezeit von Frauen und Männern. Auf Basis dieser Erkenntnisse soll geprüft werden, wie das Verhältnis ausgeglichen werden könnte.

Die Nachricht über den Anzug löste einen kleinen Sturm in den Sozialen Medien aus. Auf Twitter beklagen rechtsbürgerliche Parlamentarier den Vorstoss als «Gender-Absurdität» und «Chabis» und befürchten, dass ihr Recht (auf Redezeit) eingeschränkt würde: «Zensur», «antidemokratisch», «stillos» sind die Stichworte.

Auf linker Seite – wie immer zum Thema – das Schweigen der Männer. Nur vereinzelte melden sich zu Wort, um zu wiederholen, dass Wiederholungen unnötig seien: «Der Vorstoss ist unglaublich wichtig! Männer müssen endlich reflektieren, ob sie nicht bereits Gesagtes unnötigerweise wiederholen.»

Auch die Medien greifen den Anzug umgehend auf: «Tonja Zürcher und Michela Seggiani fordern gendergerechte Redezeit im Parlament» meldet die bz und «Wollen Sie den Männern den Mund verbieten, Tonja Zürcher?» fragt die Baz. Bajour antwortet «Will sie! Allen Männern! Weint bitterlich!»

Es ist… herrlich! Wie Männer sich durch einen solchen Anzug verunsichern lassen, der im Grunde eigentlich eines aufzeigt: 1. Frauen machen offenbar von ihrem Recht auf Wortmeldung und Redezeit nicht im selben Masse Gebrauch, daraus resultiert 2. ein Ungleichgewicht, das von zwei Frauen als ungerecht empfunden wird, warum sie 3. Massnahmen geprüft haben wollen, wie dieses Gleichgewicht hergestellt werden kann. Was spricht dagegen?

Haben Männer Angst vor genderquotierten Redelisten, wie sie die Anzugstellerinnen vorschlagen? Doch würden diese nicht besonders Männer jener Fraktionen zum Schweigen bringen, die über einen hohe Frauenanteil verfügen? Das sind nicht die Rechtsbürgerlichen. Empören sie sich aus Solidarität?

Sowieso ist wahrscheinlicher, dass die Adressaten des Anzugs einmal mehr nicht jene sind, die sich angesprochen fühlen. Also nicht Männer, sondern die Frauen selbst: würden sie ihr Recht auf Wortmeldungen und Redezeit zu selben Teilen nutzen, wäre das Problem erledigt.

Sicher ist: Reden ist Silber. Doch, ist Schweigen immer Gold?

Immerhin: Auf Anfrage bestätigt Tonja Zürcher, dass bei der verlangten Messung die Geschlechts-Spezifikation der Grossrät_innen nicht über Zuweisung durch das Ratsbüro erfolgen soll, sondern durch Selbstdeklaration. Das kommt mir entgegen: Zwar bin ich kein Mann, aber Wiederholen halte ich für das weit bessere Mittel der Rhetorik als Schweigen. Wiederholen halte ich für das weit bessere Mittel der Rhetorik als Schweigen. Wiederholen halte ich für das weit bessere Mittel der Rhetorik als Schweigen. Wiederholen halte ich für das weit bessere Mittel der Rhetorik als Schweigen…

Ich hoffe, das Ratsbüro nimmt den Anzug entgegen. Schon nur die bisherige Diskussion war äusserst aufschlussreich. Das könnte richtig gut werden!

Zeitung: bz, 19.11.2020
Tonja Zürcher und Michela Seggiani fordern gendergerechte Redezeit im Parlament
bz – Zeitung für die Region Basel

Zeitung, Baz, 18.11.2020
Wollen Sie den Männern den Mund verbieten, Tonja Zürcher?
Basler Zeitung

Online: Anzug an das Ratsbüro, 19.11.2020
Gendergerechter Redeanteil im Grossen Rat
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Online: Twitter
Einstiegspunkte in den Twitter-Sturm:
twitter.com/MSeggiani
twitter.com/TonjaZuercher
twitter.com/JoelThuering
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twitter.com/JohannesSieber

Foto zur Notiz: Twitter Michela Seggiani