Konversionstherapien verbieten

Script Votum, 20.05.21

Motion Johannes Sieber und Michela Seggiani betreffend Verbot von Konversionstherapien in Basel-Stadt (Geschäft 21.5244)

Geehrter Herr Präsident, Frau Statthalterin,
Geschätzte Damen und Herren

Es wurde schon viel gesagt, aber noch nicht alles.

Ich möchte das eine oder andere aus der Geschichte – und vielleicht noch wichtiger: DIE eine oder andere Geschichte aus unserer Stadt nachreichen.

Im Jahr 1984 strich die WHO, die Welt-Ge­sund­heits-Or­ga­ni­sa­ti­on der UNO, die Ho­mo­se­xua­li­tät aus der in­ter­na­tio­na­len Liste von Seuchen, Krank­hei­ten und Epi­de­mi­en.

Auf­fal­lend aber ist, dass der Ent­scheid der WHO erst 9 Jahre später in Kraft treten konnte – im Jahr 1993, also vor knapp 30 Jahren. Die Ver­zö­ge­rung hatte ihren Grund in den ideo­lo­gisch, po­li­tisch, religiös oder einfach „kul­tu­rell“ BEGRÜNDETEN Ein­wän­den gewisser Staaten. Diese Einwände lauteten in etwa so wie die der Befürworter der Konversionstherapien in diesem Saal.

Seit 30 Jahren also ist sich die Wissenschaft und die aufgeklärte Gesellschaft einig, dass die sexuelle Orientierung nicht veränderbar ist. Und auch nicht verändert werden muss. Homosexualität ist keine Krankheit und sie muss nicht therapiert werden.

Dennoch leiden Menschen, die in irgendeiner Form von der heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft abweichen, überdurchschnittlich oft an psychischen Problemen.

Die Selbstmordrate von schwulen Männern beispielsweise ist 5 Mal höher als bei ihren heterosexuellen Kollegen. Mehr als ein mir Bekannter hat sich das Leben genommen, weil er seine sexuelle Orientierung nie wirklich in seine Lebenssituation integrieren konnte.

(…)

«Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt.» – so lautet der Titel des wohl bekanntesten Films von Rosa von Praunheim. Der Film rief in den frühen 70er-Jahren queere Menschen dazu auf, ihre Angst zu überwinden, aus ihren Verstecken zu kommen, um zusammen für eine bessere, gleichberechtigte Zukunft anzutreten. 1971 wurde der Film ausgetrahlt. Es war ein Skandal.

Mann und Frau könnte denken, dass die Situation für queere Menschen sich heute geändert hat. Auch der Abend irgendwann im Frühjahr 1889, als kurz vor Mitternacht ein schwuler Mann bei der Basler Heuwaage mit Benzin übergossen und angezündet worden war, ist ja schon ein paar Jahre her.

Mensch könnte denken, mit dem Partnerschaftsgesetz (2004) und der hoffentlich nächstens eingeführten Ehe für Alle (die Abstimmung ist übrigens am 26. September) seien die letzte Probleme behoben. Doch Diskriminierung, Bedrohung und Übergriffe auf queere Menschen sind heute noch viel zu häufig. Auch in Basel.

Und nach wie vor werden heute noch zu viele homosexuelle Kinder von ihren heterosexuellen Eltern aufgrund ihrer gegebenen Eigenschaften massiv unter Druck gesetzt.

Unter Druck gesetzt, ihre homosexuelle Orientierung mit einer Konversionstherapie in eine heteroexuelle Orientierung umpolen zu lassen. Obwohl die Fachwelt sich seit einer ganzen Generation einig ist, dass das nicht möglich ist.

Es sind mir derzeit, also aktuell, hier in Basel zwei solche Fälle bekannt. Im einen Fall wurde ein junger Mann während seinen Schulferien täglich und im Turnus von seinem Vater, seiner Mutter und seinem Bruder motiviert, „sich von einem Arzt helfen zu lassen“. Helfen nicht etwas, weil es ihm mit seiner Homosexualiät schlecht gehen würde. Sondern weil sein familiäres Umfeld, das die ersten 14 Jahre seines Lebens der Hort der Geborgenheit war, ihn ganz offensichtlich nicht mehr akzeptieren will, wie er ist.

«Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt.»

Die Situation, die Sie Herr Traxler und andere in diesem Saal und noch mehr draussen, nicht aufhören zu reproduzieren. Tag für Tag. Jahr für Jahr.

Konversionstherapien, meine Damen und Herren, sind psychologische Therapien, die zum Ziel haben, die homosexuelle Veranlagung eines Menschen in eine heterosexuelle Neigung ‘umzupolen’.

Diese Praxis folgt den irrigen Grundgedanken, dass Homosexualität eine «Krankheit» oder ein «Symptom» sei und mit entsprechender Behandlung therapiert werden könne.

Das ist falsch, das wissen wir seit über 30 Jahren. Homosexualität ist keine Krankheit. Sie kann nicht nur nicht therapiert werden – sie soll auch nicht therapiert werden. Diese Umpolungs-Verprechen müssen verboten werden.

Also bitte: Setzen Sie diesem Irrsinn ein Ende.

Heute.

Ich danke für das Überweisen der Motion.

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