Johannes Sieber empfiehlt Christine Keller

Soll bleiben: Christine Keller

Für die Erneuerungswahlen am 20. Oktober 2024 empfehle ich aus jeder der sieben Fraktionen im Grossen Rat eine:n Grossrät:in zur Wiederwahl. Vom Grün-Alternativen Bündnis (GAB) über die Mitte bis zur Schweizerischen Volkspartei (SVP) publiziere ich hier sieben Persönlichkeiten aus dem Grossen Rat – und empfehle sie zur Wiederwahl. Mit je einem kurzen Gespräch über die Politik, den Ratsbetrieb und den Kanton Basel-Stadt.

Hintergrund: Soll ein amtierender Grossrat den politischen Gegner zur Wiederwahl empfehlen? Eher nicht. Tue ich es trotzdem? Ja, hier der Grund.

Fraktion der Sozialdemokratischen Partei: Christine Keller (SP)

Christine Keller ist der Referenzpunkt der guten alten Basler Sozialdemokratie. Sie hat schon politisiert, als «woke» noch ein englisches Wort war und man sich mit dem Binnen-I den Kopf einschlug. Sie ist trotz – oder wegen – des reichen Erfahrungsschatzes an parlamentarischer Tätigkeit progressiver geblieben als viele in ihrer Partei, die sich dafür halten. Würde man eine Filmfigur für ihr parlamentarisches Arbeiten suchen, es wäre Jedi-Meister Yoda aus Star Wars. Christine Keller sitzt schräg vor mir in der Bank und kommentiert gegnerische Voten murmelnd bis halblaut verständlich mit «Ha!», «Wa!» und «Pah!». Spricht die SVP, verlässt sie auch gerne mal den Saal. Keller hat Klasse, Herz und ist blitzgescheit. Wäre die Sozialdemokratie noch wie sie, die SP würde am 20. Oktober die Wahlen gewinnen. Gut, dass es von ihr nur noch wenige gibt. Das sichert ihr einen Platz auf meiner Liste.

Johannes Sieber: Frau Keller, was war eigentlich zuerst: Sie oder die Sozialdemokratie?

Christine Keller: You can say «You» to me, Herr Sieber, gäll? (lacht)

JS: Freut mich, Johannes.

CK: Also, seit ich mich erinnern kann, gibt es mich, die Sozialdemokratie und das Universum – random Reihenfolge. Wie wir alle ahnen und hoffen, gab es die Welt aber vermutlich schon vor uns und wird es sie sogar nach uns geben. Somit gehe ich mal davon aus, dass das Universum und die Sozialdemokratie schon vor mir existiert haben. Und überhaupt, so alt bin ich auch wieder nicht!  Zumindest sieht mensch es mir nicht an. (lacht)

JS: Das stimmt. Ich frage deshalb, weil wenn man die Sozialdemokratie erfinden müsste, du könnten ihr Model stehen. Bist du derart bewegungshörig oder woher kommt diese Überzeugung und Linientreue?

CK: Hörig bin ich schon mal gar niemanden. Ich höre nur auf mich selbst – jedenfalls meistens! Aber ernsthaft: Fremdwahrnehmung und Selbstwahrnehmung gehen mal wieder auseinander. Ich sehe mich nicht als prototypische Sozialdemokratin. So bringe ich immer wieder mal Themen ein, die (noch) nicht SP- Mainstream und bei Teilen der SP durchaus nicht unbestritten  sind – aktuell etwa Tierrechte oder pflanzliche Ernährung. Besonders bei Grossprojekten – wie zum Beispiel dem Hafenbecken 3 oder noch früher der geplanten Landhofüberbauung – habe ich jedenfalls intern schon einen anderen Standpunkt als die Partei eingenommen.

Was sowohl in meiner wie auch in der DNA der SP steckt, ist die Soziale Gerechtigkeit. Dieses Ideal ist tief in mir verankert, seit meiner Jugend. Heute ist mein Leitstern Gerechtigkeit statt Ausbeutung/Ausnutzung für Mensch, Tier und Umwelt. Denn das widerspricht sich nicht – im Gegenteil. Insofern bin ich vielleicht eine typische Sozialdemokratin mit modernem Verständnis.

Und dann bin ich ein loyaler Mensch, auch und gerade der Partei gegenüber, der ich jedes politische Amt verdanke, das ich je ausüben durfte. Politisch wirkungsvoll zusammenarbeiten heisst, wie auch in einem Verwaltungsrat oder sonst einem Gremium: Intern durchaus hart diskutieren – gegen aussen, ausser in Gewissensfragen, einig und geschlossen auftreten mit der erarbeiteten Haltung. Nur so wird etwas bewegt und erreicht.

JS: Da spricht die Erfahrung. Du warst in den 80ern und 90ern bereits im Grossen Rat, dann auch im Nationalrat. Dann wieder Grosser Rat. Wann ist genug?

CK: Wenn ich nicht mehr die Treppe zum Grossratssaal hinaufkrauchen kann ..

JS: Wir haben einen Lift…

CK: Cool. Wusste ich gar nicht. Na dann… Im Ernst: Ich habe 10 Jahre Pause eingelegt zwischen dem heutigen und dem früheren Engagement im Grossen Rat. Entsprechend bringe ich neue Themen aus meinem jetzigen persönlichen und politischen Umfeld ein, namentlich der Einsatz für die soziale Gerechtigkeit im Alter oder für die Stärkung der Palliative Care: Lebensqualität bis zum Lebensende. Sollte ich wiedergewählt werden, werde ich daran mit Freude und Herzblut weiter arbeiten. Solange ich mag und noch etwas einbringen kann. Es ist allerdings sicher nicht mein Ziel, Alterspräsidentin zu werden! Da sind aber zum Glück noch ein paar vor mir.

JS: Deine Jungpartei, die JUSO, ist ja gerade dran, den Untergang Basels herbeizuführen. Hast du dich eigentlich schon distanziert von dieser Schnapsidee, der Erbschaftssteuer?

CK: Die Erbschaftssteuer an sich ist absolut keine Schnapsidee. Es gibt sie ja schon auf kantonaler Ebene. Ich bin alt genug, um erlebt zu haben, dass sie für Ehegatten und direkte Nachkommen abgeschafft wurde. Vorher gab es das auch in Basel. Eine Erbschaftssteuer für direkte Nachkommen scheint mir nichts als gerecht zu sein, gerade für das Klima, Herr Grünliberaler Sieber.

JS: Wir haben doch grad Duzis gemacht. Überhaupt: Die Grünliberalen sind die ersten, die wirksame Klima-Massnahmen unterstützen. Siehe Stadtklimakonzept und die eingeleiteten Massnahmen wie Entsiegelung und Begrünung – von Esther Keller, ha! Sie wollen Klimafonds gründen, Stellen in kantonalen Kompetenzzentren schaffen, die dann untersuchen, was wir schon wissen.

CK: Nichts gegen Konzepte. Aber es fehlen noch die berühmten Nägel mit Köpfen. Ein Fonds kann eine sehr gute Grundlage für wirkungsvolle Massnahmen sein – die ja auch die SP sozusagen unermüdlich fordert (siehe z.B Solaroffensive). Ich erinnere an den Krisenfonds, heute Fonds zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der uns in schwierigen Zeiten wertvollste Dienste erwiesen hat – letztes Beispiel Covid Krise: Taggelder an brotlose Kulturschaffende. 

Die Initiative der Juso verlangt übrigens eine Besteuerung erst ab einem Erbe von 50 Millionen! In der Ausführungsgesetzgebung könnten und müssten Regelungen für den Übergang von KMU aufgenommen werden. Der Satz von 50 % mag provokativ zu hoch angesetzt worden sein. Das Parlament ist gut beraten, das Anliegen ernst zu nehmen und einen sinnvollen Gegenvorschlag auszuarbeiten!

JS: So kriegen Sie mich nicht Frau Keller! Fonds sind das Gegenteil von konkreten Massnahmen. Fonds ist das Binden von Mitteln für Massnahmen, von denen wir nicht wissen, welche das sind. Das ist planlose Umverteilung. Werden Sie konkret, wir helfen Ihnen. Aber zurück zur Erbschaftssteuer: Die ganze Stadt weiss, dass die Beteiligungen an der Pharma höher sind als 50 Millionen. Glaubst du nicht, dass es Basel besser geht, wenn dies so bleibt und wir uns über die Vermögenssteuer weiterhin unser feudales Leben finanzieren können?

CK: Die Roche Familie hat sich zum Ganzen nicht geäussert und im Gegensatz zu anderen reichen Menschen keine erpresserischen Drohungen ausgestossen. Nicht alle Familienmitglieder haben übrigens direkte Nachkommen; das bedeutet, dass ihre Erben, soweit nicht Ehegatten, ohnehin der (kantonalen) Erbschaftssteuer unterliegen. Ein moderaterer Gegenvorschlag wird die Familie sicher nicht in die Flucht treiben und der Untergang Basels, von bürgerlicher Seite ja aus mannigfaltigen Gründen (Wohnschutz! Keine Parkplätze!) schon heraufbeschworen, kann getrost einmal mehr vertagt werden. Übrigens gibt es in den direkten Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Italien auch eine Erbschaftssteuer für direkte Nachkommen.

JS: Das ist halt wieder nur die halbe Wahrheit. Deutschland und Italien erheben keine Vermögenssteuer. Frankreich kennt gerade mal eine symbolische Vermögensteuer auf Immobilien. Wenn wir die Vermögenssteuer im Gegenzug zur Erbschaftssteuer aufheben, kämen wir allenfalls ins Geschäft…

CK: Nun, die Einkommens- und Gewinnsteuern liegen dafür im Ausland jedenfalls bisher oft deutlich höher als hierzulande…

JS: Richig. Doch die Qualität des Service Public misst sich ja bekanntlich nicht an der Höhe der Steuern, sondern daran, was damit gemacht wird. Aber wir werden uns hier nicht einig. Noch was anderes: Trump oder Harris?

CK: Ist das eine Frage?

JS: Gell, frag ich mich auch. Danke für’s Gespräch!

Empfehlung:
Schreiben Sie Christine Keller maximal (!) 1x auf die Liste 10 der GLP. Wählen Sie unter keinen Umständen die Liste ihrer Partei! Das könnte viel Ungemach über unsere Stadt bringen, und ich müsste viel Schelte von meiner Partei für diese Aktion hier einstecken… 😉

Wählen Sie weise mit der Liste 10 der Grünliberalen Partei in allen Wahlkreisen und verzichten Sie, bis auf die hier aufgeführten Ausnahmen, auf jegliches Panaschieren.

Vielen Dank!
Johannes Sieber, Liste 10/GLP, Wahlkreis Kleinbasel

Online: Johannes Sieber Notizen, Erneuerungswahlen 2024
Wahlen 24: Eine Empfehlung aus jeder Fraktion
Johannes Sieber, Notizen

Online: Johannes Sieber, Erneuerungswahlen, 20. Oktober 2024
3x auf die Liste 10/GLP im Kleinbasel: Johannes Sieber
Johannes Sieber, Erneuerungswahlen 2024

Foto: Lucia Hunziker