Grosi by Adrian Moser

Was bringt Symbolpolitik?

Während in den USA der noch-Präsident Donald Trump seine Wählerstimmen im Susquehanna River den Bundesstaat Pennsylvania hinunter schwimmen sieht und er aufgrund verwirrter TV-Auftritte aus Live-Übertragungen geschnitten werden muss, läuft sich die Schweiz warm für ein nächstes Abstimmungs-Wochenende. Mit einigen Parallelen bezüglich Gesprächskultur.

Gleich zwei Initiativen bitten am 29. November zur Urne, die an Symbolik nichts zu wünschen übrig lassen. Die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) will, dass Konzerne ihre Verantwortung gegenüber Umwelt und Menschenrechten wahr nehmen, und die Kriegsgeschäfte-Initiative (GSoA-Initiative) will der Waffenindustrie den Geldhahn zudrehen.

Was gibt es da noch zu überlegen? 2 x Ja! Oder?

Könnte man meinen. Doch spätestens nach der Arena von gestern Freitag ist (zumindest im Bezug auf die GSoA-Initiative) klar: So einfach ist es nicht. Je gut 25 Minuten redeten die Berfürworter (u.a. Lewin Lempert, GsoA; Julia Küng, Junge Grüne) und Gegner (u.a. Guy Parmelin, Bundesrat; Maja Riniker, FDP) der Initiative aneinander vorbei und konterten die Argumente der Gegenüber gefühlte 100 Mal mit «das stimmt nicht».

Ja, was denn nun?

Bundesrat und Parlament empfehlen beide Initiativen abzulehen. Die KVI würde zu Rechtsunsicherheit führen, die GSoA-Initaitive würde ihr Ziel verfehlen. Bestehende Gesetze würden ausreichen. Beide Initiativen würden den Finanz- resp. Wirtschaftstandort schwächen und KMUs gefährden. Die Ziele könnten nur mit international abgestimmten Abkommen erreicht werden.

Die Befürworter hingegen setzen auf Ethik und Moral: Unternehmen, die etwa auf Kinderarbeit setzen oder Flüsse vergiften, sollen neu nach Schweizer Recht dafür geradestehen. Rücksichtslosigkeit dürfe kein Wettbewerbsvorteil sein (KVI). Finanzinstitute sollen die Rendite zur Sicherung unserer Altersvorsorge fernab von Rüstungsunternehmen erzielen (GSoA-Initiative).

Überlegen ist also durchaus angezeigt. Denn ein Zeichen setzen, dem keine Wirkung folgt, ist nicht mehr als leere Symbolpolitik. Das kann man tun, bringt aber nichts. Symbol-Vorlagen werden so oder so spätestens in der Gesetzgebung verwässert. Schadet auch nichts? Das wird sich zeigen.

Position: Ich stimme am 29. November 1 x Ja zur KVI, weil meiner Einschätzung nach die Auflagen für Unternehmen (z.B. Nachweis Überprüfung) weniger einschneidend sind als behauptet wird und die Wirkung (meinetwegen Symbolkraft) auf Fragen zu Umwelt und Menschenrechte positiv und wichtig sind. Ich stimme 1 x Nein zur GSoA-Initaitive, weil ich meine, dass die existierenden Gesetze ausreichend sind und es vor allem strengere Kontrollen (resp. überhaupt Kontrollen) braucht, um sie durchzusetzen. Die GSoA-Initaitive nimmt die ganze Maschinenindustrie unnötig in Sippenhaft. Es leuchtet mir nicht ein, warum ein Hersteller von Platinen bestraft werden soll, weil seine Produkte nicht nur für Personal-Computer, sondern auch zur Steuerung von Luftabwehr-Einrichtungen eingesetzt werden können.

Nachtrag vom 18.11.2020: Lisa Mathys hat mich freundlicherweise darauf aufmerksam gemacht, das sogenannte dual-use Produkte, also Produkte, die in unveränderter Form sowohl für nicht-militärische Zwecke wie auch für militärische Zwecke verwendet werden können, nicht als Kriegsmaterial definiert sind. Der Platinenhersteller würde also erst vom geforderten Gesetz betroffen, wenn sein Unternehmen mehr als 5% des Umsatzes durch eine, für militärische Zwecke veränderte Platine erzielen würde. Dann wären finanzielle Investments von Nationalbank, Stiftungen und Pensionskassen mit Sitz in der Schweiz in diesen Platinenhersteller verboten.

Fernsehen: SRF Arena, 07.11.2020
«Abstimmungs-Arena» zur Kriegsgeschäfteinitiative
Schweizer Radio und Fernsehen

Fernsehen: SRF Arena, 30.10.2020
«Abstimmungs-Arena» zur Konzernverantwortungsinitiative
Schweizer Radio und Fernsehen

Zeitung: Tagesanzeiger, 31.10.2020
Banken vergeben Kredite an Produzenten von Atomwaffen Tagesanzeiger
Tagesanzeiger

Zeitung: bzBasel
Dossier Kriegsgeschäfte-Initiative
bz – Zeitung für die Region Basel

Zeitung: bzBasel
Dossier Konzernverantwortungsinitiative
bz – Zeitung für die Region Basel

Zeitung: Tagesanzeiger, 4.11.2020
Unsere Wirtschaft braucht dieses Gütesiegel
Tagesanzeiger

Online: Bundesrat
Volksabstimmung vom 29. November 2020
Das Portal der Schweizer Regierung

Foto zur Notiz: Adrian Moser