Gleichstellung by Clay Banks, Unsplash

Gleichstellungspolitik ungenügend

Anlässlich der Wahlen setzen sich verschiedene Interessens-Gruppen mit Fragebögen in Szene. Die KMU’ler wollen sich der Wirtschaftsfreundlichkeit der Kandidierenden versichern, Klimaschützer fragen die Co2-Verträglichkeit ab und die basel-städtische Gleichstellungskommission fühlt hinsichtlich Gleichstellungskompetenz auf den Zahn.

Der Gleichstellungskommission gehören Fachpersonen mit Expertisen in Gleichstellungsfragen an. Auch vertreten sind Politikerinnen, wie beispielsweise Grossrätin Nicole Amacher. Sie wird dann von der staatlich beauftragten Kommission auch unverblümt als Kandidatein empfohlen.

Das gefällt nicht allen. Und auch mit dem Fragebogen der Kommission haben einige ihre liebe Mühe. FDP-Grossrats­kandidatin Nadine Gautschi hält ihn für tendenziös und findet es grundsätzlich problematisch, dass die Kommission mit ihrem Ranking Empfehlungen ausspricht.

Das ist es nicht. Die Aufgabe der Kommsision ist gemäss Verordnung das Voranbringen der tatsächlichen Chancengleichheit von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen. Die Kommission wird vom Regierungsrat eingesetzt und unterstützt die Fachstelle für Gleichstellung, die als solche bei der Verwaltung angesiedelt ist.

Mich stört etwas ganz anderes: Von den 26 Fragen in 8 Feldern wird das Thema LGBT, also die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität, gerademal mit drei Fragen gestreift: Das Befürworten der Einrichtung einer kantonalen Fachstelle für LGBTIQ-Anliegen, die Position bezüglich Ehe für Alle und das Gutheissen einer dritten Geschlechter-Option in amtlichen Dokumenten. Der Rest der Fragen konzentriert sich auf die bekannte (wenn auch durchwegs berechtigte) Gleichstellungspolitik der Mehrheitsgesellschaft, betreffend Frau und Mann.

Das ist ungenügend. Im Thema LGBTIQ sind viele Massnahmen dringlich. Die Selbstmordrate bei LGBTIQ-Jugendlichen ist 5 Mal höher, häusliche Gewalt in gleichgeschlechtlichen Beziehungen wird nach wie vor tabuisiert, bezüglich Lohngleichheit und Karrierechancen bestehen keinerlei Anstrengungen auf Klärung, das Elternpaar wird auch von der Gleichstellungskommission weiterhin als Mutter und Vater verstanden – obwohl Regenbogenfamilien längst Realität sind.

Der Fragebogen der Basler Gleichstellungskommission ist ein Abbild der aktuellen Gleichstellungspolitik. Diese hat Berechtigung, ist aber ungenügend.

Gleichstellung bedeutet mehr als die etablierte, geschlechterpolare Politik der Mehrheitsgesellschaft, deren Forderungen zwar zu unterstützen sind, die in zu vielen Punkten aber zu wenig genau ist. Care-Arbeit, Kinderbetreuung, Lohngleichheit und häusliche Gewalt bergen Herausforderungen, die sich nicht alleine über die Geschlechterfrage klären lassen. Sie stellen sich vielen Männern – und im Besonderen Männern jenseits der Norm – genauso. Wir benötigen ganzheitliche Konzepte, was voraussetzt, dass die Nöte aller Geschlechter anerkennt und berücksichtigt werden.

Eine umfassende und solidarische Gleichstellungspolitik berücksichtigt die Anliegen von Minderheiten und Benachteiligten genauso, wie die Anliegen von Menschen, die vorübergehend auf Unterstützung angewiesen sind.

Gleichstellung ist eines meiner Kernthemen. Hier mehr dazu lesen.

Online: Johannes Sieber, Move, 2020
Gleichstellung und offene Gesellschaft
www.johannes-sieber.ch/move

Zeitung: bzBasel, 17.09.2020
Staatliche Gleichstellungskommission empfiehlt ihr Mitglied Nicole Amacher zur Wahl
bz – Zeitung für die Region Basel

Online: Primenews, 12.09.2020
«Extrem tendenziös»: Kritik an Politiker-Rating
Primenews

Online: Glelichstellungskommission, Gleichstellungs-Test
Ergebnisse von Kandidierenden im Überblick
Gleichstellungskommission

Foto zur Notiz: Clay Banks, Unsplash